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Rückblick auf die Mumbai-Kampagne

Phantom- Bekenntnis

Die Terrorangriffe auf mehrere Luxushotels, welche mit zum Teil fünf Sternen ausgestattet waren, beschäftigten nun einige Tage die schnelllebige Medienlandschaft. Angesichts der beinahe 200 Toten und diversen Vergleiche zum 11. September gingen natürlich einige Sachverhalte und Ungereimtheiten wie üblich unter, die aber in dieser Stelle wenigstens sporadisch angesprochen werden sollen. Die Angriffe waren jedenfalls scheinbar gut geplant und organisiert. Allerdings ist dies auch verständlich, da es sich bei den Angriffsorten um sogenannte „weiche Ziele“ handelte. Bereits im Sommer kam es in Indien zu einer Anschlagsserie, für die man islamistische Terroristen verantwortlich machte. Trotz voreiliger Behauptungen von Seiten der westlich-orientierten indischen Zentralregierung und natürlich aus den USA erscheint der Täterkreis eher nebulös.

Eine bislang selbst Terrorexperten unbekannte Gruppe mit Namen „Deccan Mujahedeen“ hatte per E-Mail für die Tat in Mumbai verantwortlich gezeichnet. Es wäre nun zu vermuten, dass es sich um eine Phantom- Gruppierung handelt. Der Name wurde offenbar extra für diesen Anschlag „erfunden“ und in die Mediendiskussion eingeführt. Aus indischen Sicherheitskreisen wurden aber sogleich ziemlich wilde Geschichten über diese bislang unbekannte Gruppe verbreitet – sie habe Verbindungen zu den somalischen Piraten. Ein Widerspruch in sich – so bekämpfen die islamischen Rebellen in Somalia diese nun zur Weltbedrohung hochstilisierten Piraten. Rasch wurde vom indischen Premierminister Manmohan Singh die Behauptung in die Welt gesetzt, der Anschlag sei vom pakistanischen Geheimdienst angeleitet worden. Auch die Taliban wurden auf die Verdächtigenliste gesetzt. Die Behauptung der ausländischen Steuerung der Anschläge und vor allem die Anschuldigungen gegen den Erzfeind Pakistan sollen aber auch ablenken, und zwar von der Tatsache, dass gerade viele junge (indische) Muslime „ihren“ Staat längst abgeschrieben haben und sich fundamental von diesem abwenden. So soll von den innerindischen sozialen, ethnischen und religiösen Verwerfungen und Krisen abgelenkt werden. Die nun auch von bundesdeutschen Medien immer wieder in die Welt gesetzte Behauptung, Al-Kaida stecke hinter den Anschlägen – es sei genau die Handschrift dieser nun schon mystifizierten Terror-Organisation – wirkt höchst unglaubwürdig und unwahrscheinlich. Selbst der US-Geheimdienst CIA musste unlängst eingestehen, dass Al-Kaida nur mehr ein Papiertiger sei, eine sich im Niedergang befindende Organisation, die nurmehr vom Mythos zehrt. So fiel Al-Kaida in letzter Zeit vorwiegend durch verzweifelt wirkende Video-Drohbotschaften auf. Ob Osama Bin Laden noch am Leben ist, erscheint vielen Analysten eher unwahrscheinlich. <!–[if !supportLineBreakNewLine]–> <!–[endif]–>

Falsche Spuren

Der Spiegel versuchte nun falsche Spuren zu legen. „Steckt al-Qaida hinter den Anschlägen in Mumbai? Zwar hat sich das Terrornetzwerk bislang nicht zu der Bluttat geäußert, doch diese folgt einem Muster – und die Absicht der Attentäter deckt sich mit den Zielen al-Qaidas: Bin Ladens Organisation will die gesamte Region destabilisieren.“ (1) Diese Behauptung erscheint bei etwas genauerer Betrachtung eher makaber bis unsinnig. Nichts deutet in Wahrheit auf die „übliche“ Vorgehensweise Al-Kaidas hin. Diese bestand bislang weder darin, Geiseln zu nehmen, noch sich bei solcherlei Großoperationen in tagelange Scharmützel verwickeln zu lassen. Auch die Taktik der Selbstmordanschläge war in diesem Fall nicht vorzufinden. Die Londoner Times behauptete aber nichts desto trotz: „Die Zielauswahl des luxuriösesten Hotels und des Bahnhofs zeigt alle Merkmale einer Al-Kaida-Operation“. Verschwiegen werden in den deutschen Medien aber Meinungen hochrangiger Terrorismus-Experten, die nun durchaus erwähnenswert scheinen. Christine Fair, die politische Wissenschaftlerin und Expertin für Südasien bei der RAND Corporation, sagte, die Identität der Angreifer ist nicht bekannt. Aber der Stil der Attacke und die Ziele in Mumbai zeigten, dass die Militanten „wahrscheinlich indische Muslime sind, und keine Verbindung zu Al-Kaida oder der südasiatischen Terrorgruppe Lashkar-e-Taiba haben.“ „Da ist nichts Al-Kaida mäßiges dabei“, so Christine Fair. „Haben wir Selbstmordattentäter gesehen? Und typisch für Laskar ist es auch nicht. Sie nehmen keine Geiseln und sie benutzen keine Handgranaten.“ Aber es geht noch weiter: „Die Inder haben eine große Motivation, diese Sache der Al-Kaida und damit Pakistan anzuhängen, nach dem Motto, sie sind überall und der Feind kommt von außen. Aber dies ist ein inländisches Problem. Das ist nicht Indiens 9/11“, sagte Fair. Ein anderer britischer Terrorismusexperte, Professor Bruce Hoffman, meinte „nicht gerade ein Al-Kaida Modus Operandi, der aus Selbstmordangriffen besteht.“

Hindu-Fundamentalismus

Neben dem islamischen Fundamentalismus gibt es in Indien aber auch noch ganz andere Gruppen und Organisationen, die das Mittel des Terrorismus für ihre politisch-religiösen Ziele gebrauchen. Die Rede ist an dieser Stelle von hinduistischen Fundamentalisten. Fundamentalistische Hindus spielen im politischen und gesellschaftlichen Leben Indiens eine entscheidende oder zumindest prägende Rolle. Ideologisch geht es den Hindu-Fundamentalisten darum, die Hindus politisch zu organisieren, um durch den Aufbau einer homogenen Gemeinschaft(Hindu Sanghatan) die Etablierung eines mächtigen, hinduistischen Staates (Hindu Rashtra) zu ermöglichen. Im Mittelpunkt steht die Formulierung der Bedingungen, die erfüllt werden müssen, um als Mitglied der Gemeinschaft, als rechtgläubiger Hindu zu gelten. Durch den Nachweis, dass er Indien (Hindusthan) nicht nur als sein Vaterland (Pitribhu), sondern auch als heiliges Land (Punyabhu) verehrt, ist der Einzelne in der Lage, seine Loyalität gegenüber der Gemeinschaft zu belegen, die alle als heterogen verstandenen Elemente auszuschließen hat. Der Hindu-Fundamentalismus geht davon aus, dass ein Muslim oder Christ niemals loyal zum Staat Indien stehen könne. Wichtigste politische Partei der Hindu-Fundamentalisten ist wohl die Bharatiya Janata Party (BJP – Indische Volkspartei). Sie bildete von 1998 bis 2004 gar die indische Regierung und war schon davor an Regierungskoalitionen beteiligt. Die BJP war maßgeblich an der Entstehung der Gewaltwelle zwischen Moslems und Hindus ab dem Jahr 2002 beteiligt. Hochrangige Politiker dieser Partei haben deswegen sogar Einreiseverbot in die EU und die USA. Von Amnesty International werden der Parteiführung gar persönliche Involvierung in die Morde an mehreren Tausend indischen Muslimen vorgeworfen. Die BJP unterhält mehrere Unterabteilungen und Gruppen wie die Rashtriya Swayamsevak Sangh, eine paramilitärische Einheit, deren Behauptung, nur politisch und gewaltfrei wirken zu wollen, im Allgemeinen von politischen Analytikern in das Reich der Märchen verwiesen wird.

Daneben gibt es weitaus radikalere und militante Gruppen wie die Vishwa Hindu Parishad, die unter anderem Anschläge nicht nur gegen Muslime, sondern auch gegen Christen plant und ausführt. Interessant ist in Zusammenhang mit den Anschlägen von Mumbai, dass faktisch die komplette Führungsriege der indischen Anti-Terroreinheit erschossen wurde. Unter den Toten ist auch der Polizeichef von Ost-Mumbai, Ashok Kamte, welcher im Fall des Malegaon-Attentates auf einem muslimischen Friedhof am 8.September 2006 ermittelte, welches Muslimen zugeordnet worden war. 37 Muslime waren ermordet worden. Neueste Untersuchungen der Anti-Terror-Polizei (ATS) ergeben, dass dieses Attentat durch eine Reihe hindu-nationalistischer Gruppen, darunter die RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh), die internationale Hindu-Nationalisten-Organisation VHP (Vishva Hindu Parishad) sowie deren Jugendorganisation Bajrang Dal verübt wurden (2). Am 11. Juni 2006 war es in Mumbai zu einem Massaker gekommen – Bomben waren in mehreren Nahverkehrszügen explodiert. Ein Minister der indischen Regierung äußerte, dass hinter den Anschlägen in Wahrheit Hindu-Extremisten stehen könnten, die sich als islamische Fundamentalisten ausgegeben hätten (3). Ganz von der Hand weisen lässt sich ein solches Szenario auch in diesem Fall nicht. BBC berichtete nun von einer ganz anderen Merkwürdigkeit. Zeugen hatten einen der Attentäter als „blonden Ausländer“ bezeichnet und berichteten, dass mehrere der Attentäter vor der Tat beim Trinken von Bier beobachtet worden seien. Ein für fundamentalistische Muslime nicht gerade typisches Verhalten (4). Auffallen kann einem hier durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zu den Anschlägen des 11. September. Auch damals sollen die salafistisch-integristischen Selbstmordattentäter laut Medienberichten exzessiv den unter Muslimen verpönten Alkohol vor der Tat zu sich genommen haben.

Cui Bono ?

Die Frage nach dem politischen Nutzen einer solchen Aktion stellt sich vor allem aufgrund der traditionell angespannten Lage zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan, sowie dem Interesse der Vereinigten Staaten in der Krisenregion. Die Noch-Außenministerin der USA, Condoleezza Rice, schob Pakistan sogleich den schwarzen Peter zu und meinte kryptisch, dass nun alle Spuren sorgfältig verfolgt werden müssten. Indiens Regierung hatte sofort „Elemente aus Pakistan“ verantwortlich gemacht. Nach indischen Medienberichten hatte der einzige festgenommene mutmaßliche Terrorist bei seinen Vernehmungen die Verbindung der Terroristen nach Pakistan bestätigt. Er sei gemeinsam mit anderen in einem pakistanischen Trainingslager der radikal-islamischen Organisation Lashkar-e-Toiba ausgebildet worden, sagte der 21-jährige Ajmal Amir Kasav. Unter welchen Umständen dieses Geständnis zustande kam, ist nicht klar. Nur passt es ganz hervorragend in das politische Kalkül sowohl der indischen Führung als auch der neuen US-Regierung, die unter Obama Pakistan ins Visier nehmen wird. Die US-Kriegsdrohungen gegen den ehemaligen besten Verbündeten in der islamischen Welt, die Atommacht Pakistan, wurden im Lauf der letzten Monate immer wilder. Nachdem solche Kriegsdrohungen bereits immer wieder von Barak Obama und der gesamten Demokratischen Partei zu vernehmen waren, wurde eine solche Drohung auch von Verteidigungsminister Robert Gates ausgesprochen, welcher unter Obama diesen Posten weiterführen soll. Im Kampf gegen die Taliban, Al-Kaida und andere „Terroristen“ würden sich die USA jederzeit das Recht herausnehmen, mit Luft- und Bodentruppen in Pakistan „einzugreifen“, so der US-Verteidigungsminister vor einigen Monaten. Ganz neu ist die Diskussion um einen Militärschlag gegen Pakistan nicht. Bereits 2004, als Pakistan noch bester Verbündeter der USA in der Region war, drohte der US-Botschafter in Afghanistan mit einem Einmarsch der US-Truppen nach Pakistan.

Der aussichtsreiche Kandidat und nun gewählte US-Präsident Obama hatte mehrfach einen Angriff auf Pakistan in Aussicht gestellt – zuletzt im US- Wahlkampf – als er meinte, dass die „terroristische Infrastruktur“ der Taliban und Al-Kaida in den Bergregionen Pakistans läge. Dies könne die USA nicht „akzeptieren“ und dulden. Bereits 2007 hatte er sich in einer TV-Debatte ganz offen für einen militärischen Angriff auf Pakistan ausgesprochen (5). Hauptgrund für diese Kriegsdrohungen dürfte nicht nur die immer verzwicktere Lage der Besatzungstruppen in Afghanistan sein, sondern auch die Tatsache, dass sich die neue Regierung Pakistans im Gegensatz zur Musharraf-Vasallenregierung von den USA abgewandt hat. Die neue pakistanische Regierung nannte die USA gar einen „Terrorstaat“, so zumindest Nawaz Sharif. Bereits jetzt dringen aber US-Truppen über die afghanische Grenze nach Pakistan vor. 11 pakistanische Soldaten waren vor kurzem bei einem US-Angriff ums Leben gekommen. Nach diesem Vorfall wurden auch in der pakistanischen Regierung die Stimmen immer lauter, mit den USA überhaupt nicht mehr zu kooperieren. Nach diesen Vorfällen verschärfte sich die Lage zusehends. Das pakistanische Militär schoss US-Drohnen ab, bei US-Luftangriffen wurden unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“ immer wieder pakistanische Zivilisten getötet. Ende August brach schließlich die Regierungskoalition Pakistans auseinander.

Gerade von den Demokraten und Barak Obama wird Pakistan besonders auf die imperialistische Agenda gesetzt. Dem Ansinnen einer langwierigen Kriegsvorbereitung können die Anschläge von Mumbai nur gelegen kommen. Barak Obama ist anders, als viele Jubelbürger glauben mögen, keine Friedenshoffnung und erst recht kein antiimperialistischer Politiker. Seine Stoßrichtung ist zwar darauf aus, die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen, jedoch nur, um die Besatzungstruppen in Afghanistan massiv verstärken zu können. Obama sorgt sich um die „Pax Americana“, die er durch die „unvorsichtige“ Politik der Bush-Administration gefährdet sieht. Seine Politik sei auf folgendes aus: „Verantwortungsbewussten Rückzug unserer Kampftruppen, der die irakischen Führer zwingt, eine politische Lösung zu suchen, der unser Militär stabilisiert und den Fokus auf Afghanistan und unsere übrigen Sicherheitsinteressen setzt“. Obama warf Bush im Wahlkampf vor allem eine „fehlerhafte Strategie“ bei der Bekämpfung „der Feinde Amerikas“ vor. Obama sagte Folgendes: „Von Anfang an hätte man die volle Macht Amerikas auf die Jagd auf Osama bin Laden und seine Vernichtung konzentrieren müssen. Man hätte den Kampf gegen al-Qaida, die Taliban und alle für den 11. September verantwortlichen Terroristen führen und für wirkliche Sicherheit in Afghanistan sorgen müssen.“ Obama wurde sehr deutlich: „Wie man es auch dreht und wendet, unsere einseitige und dauerhafte Konzentration auf den Irak ist keine vernünftige Strategie, Amerika sicher zu machen.“ Dass sein Hauptaugenmerk aber nicht nur Afghanistan gilt, machte der Brzezinski-Jünger (6) in diversen Aussagen deutlich, die kaum Interpretationsspielraum lassen. „Die größte Bedrohung für die Sicherheit liegt in den Stammesregionen Pakistans, wo Terroristen ihre Ausbildungslager haben und von wo aus Aufständische in Afghanistan zuschlagen“, warnte Obama. „Wir können kein terroristisches Rückzugsgebiet dulden, und als Präsident werde ich das auch nicht tun. Wir brauchen eine stärkere und dauerhafte Partnerschaft zwischen Afghanistan, Pakistan und der NATO, um die Grenze zu sichern, Terrorlager auszuheben und über die Grenze wechselnde Aufständische zu bekämpfen. Wir brauchen mehr Truppen, mehr Hubschrauber, mehr Predator-Drohnen in der afghanischen Grenzregion. Und wir müssen klar machen, dass wir hochrangige Terrorziele wie bin Laden hochnehmen werden, wann immer sich die Gelegenheit bietet, und auch wenn Pakistan nicht handeln kann oder will.“ Folglich könne die Anschläge als Etappenziel zum Kriegsgang gegen Pakistan gewertet werden. Jedenfalls sind die nun ausgesprochenen Kriegsdrohungen gegen Pakistan sehr eindeutig und kaum zu leugnen oder zu beschönigen. Der Chef des US-Generalstabes Mike Mullen ließ in wildem Kriegsgeschrei Folgendes verlautbaren: „Pakistan glaubt, wir können mit konventionellen Mitteln nichts machen, weil beide Staaten Atomwaffen besitzen. Wir müssen Islamabad diesen Glauben nehmen“.

1. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 … 12,00.html
2. http://www.app.com.pk/en_/index.php?opt … 0&Itemid=2
3. http://www.indianexpress.com/news/Pak-h … —-/8470/
4. „They did not look Indian, they looked foreign. One of them, I thought, had blonde hair. The other had a punkish hairstyle. They were neatly dressed,“ says Mr Amir. Locals say the orgy of killings in Mumbai began here. Three men walked into the cafe, drank beer, settled their bills and walked out. Then they fished out guns from their bags and began firing.“ http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/7752625.stm
5.http://www.welt.de/politik/article10752 … eifen.html und http://www.youtube.com/watch?v=DkAEkA81TUA
6. http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/co … 02127.html

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